Katzen sind besonders reinliche Tiere und legen großen Wert auf Körperhygiene und Sauberkeit. Doch was steckt dahinter, wenn aus der täglichen Katzenwäsche Putzwahn wird? Tierärztin Dr. Regine Rottmayer klärt auf.
Eine gesunde Hauskatze widmet sich täglich mit viel Ausdauer der Pflege ihres Fells. So ist das Haarkleid immer sauber und wird von ungebetenen Gästen wie kleinen Insekten oder Pflanzenteilen, die bei Streifzügen im Grünen eingesammelt wurden, befreit. Das Putzen dient auch der Durchblutung der Haut sowie der Anregung der Talgdrüsen. So bleibt das Fell wasserabweisend und erhält seine isolierende Wirkung gegen Temperatureinflüsse. Das ausgiebige Reinemachen hat zudem eine beruhigende Wirkung und hilft beim Stressabbau. Leben mehrere Katzen zusammen, pflegen sie sich oft gegenseitig - eine wichtige soziale Komponente.
Ungewöhnlich ist es, wenn eine Samtpfote sich täglich mehr als vier Stunden mit der Fellpflege beschäftigt.
Lässt sie sich während ihrer Reinigungsaktion durch nichts und niemanden ablenken? Reagiert sie auf keines der ihr bekannten Signale und sind sogar Lieblingsspielzeug oder Leckerli völlig uninteressant? Wenn ja, dann sollten Sie unbedingt einmal genauer hinsehen! Gar nicht so einfach, denn betroffene Tiere üben ihren Putzzwang oft im Verborgenen oder nachts aus, so dass der Mensch davon nichts oder nur wenig mitbekommt und erst aufmerksam wird, wenn die ersten Veränderungen an Haut und Fell sichtbar werden.
Zeigen sich Fellveränderungen, wie kahle Flecken oder Stellen mit brüchigem Haar bis hin zu wundgeleckten Stellen, gilt es schnellstmöglich die Ursache für den übermäßigen Putzwahn zu ergründen. Der erste Gang führt dabei zum Tierarzt: Eventuell leidet die Katze unter einem unangenehmen Juckreiz. Dieser kann unter anderem durch einen Parasiten- oder Pilzbefall, eine allergische Reaktion oder sogar eine schmerzhafte, innere Krankheit ausgelöst werden.Beim sogenannten "Overgrooming", der absolut übertriebenen Fellpflege, sind organische Gründe ausgeschlossen. Hier spielt die Psyche der Katze eine Rolle: Aus dem eigentlich positiven Stressabbau durch das Putzen wurde eine Zwangshandlung, eine Art "Ventil", um mit einer unangenehmen, stressigen Situation fertigzuwerden.Die Katze kann nicht mehr aufhören, sich zu putzen - und schadet sich dabei selber. Neben Haut- und Fellveränderungen droht die Bildung von Haarballen im Katzenmagen. Durch die sehr einseitige Beschäftigung mit sich selbst ist das Wohlbefinden einer betroffenen Katze zunehmend gestört. Ein Teufelskreis beginnt.
Wichtig ist es, die Ursache für das - auch für das Tier - belastende Verhalten zu finden und im Sinne der Katze abzustellen. Erste Hilfe für Katzen, die unter Overgrooming leiden: Die oberflächige Behandlung beschädigter Hautpartien. Ein auf Verhaltensmedizin spezialisierter Tierarzt kann einschätzen, ob das übermäßige Putzverhalten wieder abtrainiert werden kann. Eventuelle Stressauslöser müssen identifiziert und abgestellt werden, um die Katze wieder ins seelische Gleichgewicht zu bringen. In einigen Fällen ist die Gabe von unterstützenden Medikamenten sinnvoll.
Die Behandlung einer Katze mit Overgrooming braucht viel Geduld und liebevolles Einfühlungsvermögen. Manchmal können jedoch schon kleine Veränderungen im Umgang mit dem Tier helfen, die Situation zu entschärfen. Dann stehen die Chancen gut, dass sich die Katze wieder erholt und ganz "die Alte" wird.