Überträgt sich die Angst des Halters, etwa bei Gewitter, automatisch auch auf den Hund?
Nicht zwangsläufig. Zum Glück hat jeder Hund seine eigenen Kompetenzen – unabhängig davon, was ich als Mensch fühle. Trotzdem sollte ich mich darum bemühen, mit gutem Vorbild voranzugehen und meinem Hund gegenüber Normalität auszustrahlen. Falsch wäre auch, ihn vehement davon überzeugen zu wollen, keine Angst haben zu müssen. Normalität lernt der Hund durch Normalität und nicht durch aufgeregtes oder besorgtes Verhalten des Halters.
Darf ich als Hundehalter denn gar kein Mitleid zeigen?
Es kommt darauf an, wie stark der Hund Angst zeigt. Zeigt mein Tier nur eine kurze Sorge an und kann ich mit entsprechendem Zuspruch für Entspannung sorgen, ist das in Ordnung. Ist der Hund schon in Panik, hilft es ihm weitaus mehr, ihm ruhigen und liebevollen Körperkontakt anzubieten. Ihn also einfach zu halten und dabei selbst ruhig zu atmen und sich bedächtig zu bewegen. Hat der Vierbeiner das Vertrauen gefasst, bei seinem Halter in angsteinflößenden Situationen Ruhe zu finden, lässt sich mit der Unterstützung eines Hundetrainers ein Training aufbauen, das die Angst langfristig nimmt.
Welche charakterstärkenden Maßnahmen konditionieren einen Welpen positiv?
Rein ins Leben! Voller Mut und Interesse die Welt erkunden. Hier kommt uns die angeborene Neugierde der Kleinen sehr entgegen. Viele gute Erfahrungen schaffen, aber auch die schlechten zulassen. Die Gefahr, dass ein einziges Ereignis einen stabilen Hund plötzlich zu einem Angsthund werden lässt, geht gegen null. Also nur Mut. Beim Gefühl, dass ein Welpe zu Sorgen und Ängsten neigt, macht es Sinn, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. So lassen sich die Weichen frühzeitig stellen.
Ist es schwerer, einen erwachsenen Hund dazu zu bringen seine Ängste abzulegen?
Nein, das lässt sich nicht pauschal sagen. Es ist eher die Frage, wie lange die Angst schon besteht und was für ein Typ der Hund ist.
Hunde sind eigentlich bemerkenswert gut darin, mit schlechten Erfahrungen umzugehen. Ihre Fähigkeit glücklich zu sein, obwohl nicht immer alles rund läuft, ist beachtlich. Man denke nur mal an unzählige Hunde, die aus wirklich schlechter Ursprungshaltung kommen und im Anschluss trotzdem ein ganz normales und angstfreies Leben führen können. Auf diese Fähigkeit der Selbstheilung würde ich bauen und dem Hund erst einmal alles zutrauen, egal wie alt er ist.
Haben Hunde ein Langzeitgedächnis oder werden schlechte Erfahrungen wieder vergessen?
Hunde haben ein Langzeitgedächtnis. Was sie erleben oder erlebt haben, beeinflusst ihr Denken und Fühlen. Eine Tendenz zur Angst kann aber auch genetisch verankert sein. Sie ist dann der Acker, auf den alle Erfahrungen fallen. Daher entwickeln Hunde häufig auch rassetypische Probleme. Das Gute am Langzeitgedächtnis ist, das effektiv gelernt werden kann – aber alles, was erlernt werden kann, kann auch wieder verlernt werden.
Maren Grote lebt mit ihren beiden Hunden Hummel und Nanu!, ein Doggen- und ein Neufundländer-Mix, östlich von Hamburg und ist Inhaberin der Hundeschule „Lotte-Hundetraining“. In Seminaren und Einzelstunden berät die zertifizierte Hundetrainerin und CANIS-Absolventin zu den Themen Hundeerziehung und -ernährung sowie artgerechte Auslastung. Weitere Informationen zu Maren Grote finden Sie unter www.lotte-hundetraining.de.